Diese Anleitungen zum Missbrauch von Werkverträgen haben längst den Weg in die Praxis gefunden. Die zunehmende Regulierung der Leiharbeit lässt Arbeitgeber verstärkt in die Grauzone der Werkvertragsarbeit ausweichen. Missbrauch wurde zuletzt öffentlich bekannt durch die umfangreiche Razzia der Finanzkontrolle Schwarzarbeit mit 450 Fahndern bei Lebensmitteldiscountern. Diese spektakulären Fälle sind aber nur die Spitze des Eisbergs. Wie viele Beschäftigte von Lohndumping durch Werkverträge betroffen sind, ist nicht bekannt. Die Gewerkschaften schätzen, dass es allein im Handel mehrere Hunderttausend sind.
Die Ausweitung von Werkvertragsarbeit folgt dem Trend zum Outsourcing. Schwierig ist die Abgrenzung: Es gibt unproblematische Auslagerungen von Arbeiten, etwa Forschungstätigkeiten und EDV-Arbeit. Nicht jeder Werkvertrag bedeutet da niedrige Löhne. Die Übergänge zu Werkverträgen, die allein mit dem Motiv des gezielten Lohndumpings und zum Unterlaufen von Arbeitnehmerrechten abgeschlossen werden, sind jedoch fließend. Werkverträge unterliegen nur den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Und auch diese werden nach Einschätzung von Experten bei Werkvertragsarbeit überdurchschnittlich häufig verletzt und nur in Ausnahmefällen eingeklagt. Die Risiken werden auf die Schwächsten abgewälzt: die Soloselbstständigen, die am Ende einer Kette von Subunternehmern stehen, etwa der Regaleinräumer im Supermarkt.
Wir brauchen eine neue Ordnung für den Arbeitsmarkt. Ob Missbrauch bei Leiharbeit oder bei Werkverträgen – wir wollen Prekarisierung und Rechtsbruch in der Arbeitswelt grundsätzlich begegnen. Soziale Sicherheit für Beschäftigte und Flexibilitätsanforderungen der Unternehmen müssen in eine neue Balance gebracht werden. Ordnung für Arbeit heißt Sicherheit für Beschäftigte, aber auch Sicherung von Qualitätsarbeit am Standort Deutschland.
Missbrauch von Werkverträgen
Die schwarz-gelbe Koalition muss aufhören, das Problem zu leugnen. Wir brauchen belastbare Daten über das Ausmaß des Missbrauchs von Werkvertragsarbeit. Ein erster Schritt ist die Ausdehnung der Zeitarbeitsstatistik auf Zeitarbeitsunternehmen, die über Tochterunternehmen ihre Dienstleistung auf Werkvertragsbasis anbieten. Wir brauchen endlich einen allgemeinen, gesetzlichen Mindestlohn, um Lohndumping durch Auslagerung von Aufgaben mittels Werkverträgen zu verhindern. Die Anwendung der Tarifverträge muss gestärkt werden, damit möglichst alle Beschäftigten, unabhängig für welches Unternehmen oder Subunternehmen sie arbeiten, nach dem gleichen Tarifvertrag bezahlt werden (etwa durch die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen). Solo-Selbstständige sind freilich von Mindestlöhnen nicht geschützt.
Bei Werkvertragsarbeit müssen Anhaltspunkte für Scheinselbstständigkeit und verdeckte Leiharbeit stärker geprüft und die Kriterien dafür klarer definiert werden. Es muss klar sein, dass der Auftragnehmer über die Herstellung des Werkes selbst bestimmt und für das Werk haftet. Hinweise auf eine missbräuchliche Gestaltung liegen etwa vor, wenn eine Werkvertragskraft in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert ist und dieselbe Arbeit verrichtet wie andere Beschäftigte des Auftraggebers.
Um die verdeckte Leiharbeit zu bekämpfen, ist eine Umkehr der Beweislast zu prüfen, damit die Finanzkontrolle Schwarzarbeit auch ohne konkrete Anhaltspunkte kontrollieren kann, ob Schein-Werkverträge vorliegen. Arbeitgeber müssten nachweisen, dass ein echter Werkvertrag und keine Leiharbeit vorliegt. Zudem ist es erforderlich, die Rechte der Betriebsräte zu stärken. Denn während der Betriebsrat beim Einsatz von Leiharbeitskräften Mitspracherechte hat, ist dies bei Werkvertragskräften nicht der Fall.
Es gibt Möglichkeiten, den Missbrauch von Werkverträgen zu bekämpfen. Doch die Bundesarbeitsministerin hat erst jüngst erklärt, dass sie für die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf sieht. Ursula von der Leyen fordert Kontrollen, verweigert den Behörden aber die notwendigen Rechtsmittel für den Kampf gegen Missbrauch und Rechtsbruch. Sie ruft nach Transparenz, gleichzeitig aber verweigert ihr Ministerium die notwendigen Daten, um Licht in die Grauzone der Werkverträge zu bringen. Wie bei Mindestlohn und Leiharbeit bleibt die CDU-Politikerin ihrer Linie treu: Nur Worte, keine Taten.