Vor nunmehr 25 Jahren beriefen die Vereinten Nationen (VN) in Kairo die Weltbevölkerungskonferenz ICPD ein. Dort wurde ein Aktionsprogramm von 179 Staatenverabschiedet – ein historischer Meilenstein, der einen Wendepunkt der Bevölkerungspolitik verkörperte: Erstmals rückte die Staatengemeinschaft ausdrücklich von der Idee ab, Regierungen sollten von oben herab Zielgrößen für das Bevölkerungswachstum bzw. seine Verringerung setzen. Stattdessen stehen seit Kairo Menschenrechte, Selbstbestimmung und die Stärkung des Individuums im Zentrum der internationalen Bevölkerungspolitik. Erstmals wurden sexuelle und reproduktive Gesundheit und reproduktive Rechte als Teil des fundamentalen Menschenrechts auf Gesundheit festgeschrieben.

Viele Menschen können ihr Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit und reproduktive Rechte jedoch nur eingeschränkt oder gar nicht wahrnehmen. Die Möglichkeiten, selbstbestimmt über die eigene Familienplanung zu entscheiden, bleibt insbesondere Mädchen und Frauen verwehrt. Nach Schätzungen der VN haben immer noch 214 Millionen Mädchen  und Frauen in Entwicklungsländern keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu modernen, sicheren und wirksamen Familienplanungsmethoden .Schwangerschaften bei Minderjährigen und Komplikationen während der Schwangerschaft und Geburt sind in Entwicklungsländern unter den häufigsten Todesursachen für Mädchen bzw. junge Frauen zwischen 15 und 19 Jahren. Die Mütter- und Säuglingssterblichkeit ist in dieser Altersgruppe hoch.

Situation der 10- bis 14-Jährigen in den Blick nehmen

Wenig bekannt und somit nahezu unberücksichtigt bleibt die Situation der 10- bis 14-Jährigen. Der fehlende bzw. eingeschränkte Zugang zu Aufklärung und Verhütungsmitteln führt dazu, dass sich Mädchen und Frauen nicht ausreichendvor Geschlechtskrankheiten schützen können. Drei von vier Neuinfektionen mit HIV/Aids in der Altersgruppe der 15- bis 19-jährigen in Afrika südlich der Sahara betreffen Mädchen und junge Frauen. Aids zählt daher in Entwicklungsländern auch bei dieser Personengruppe zu einer der häufigsten Todesursachen. In Krisen- und Notsituationen wächst noch einmal die Gefahr, dass sexuelle und reproduktive Rechte missachtet und der Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit verwehrt werden.

Wenn Mädchen und Frauen in Ländern mit hohen Geburtenraten selbstbestimmt leben können und die Mittel haben, gemäß der eigenen Wünsche und Vorstellungen über Familienplanung zu entscheiden, entscheiden sie sich meist für weniger Kinder.

Gleichberechtigung ist ebenso wie Bildung wesentlich dafür, dass Mädchen und Frauen autonom und selbstbestimmt über die Frageentscheiden können, mit wem, wann und wie viele Kinder sie bekommen.

In den letzten Jahren wurden 1 Prozent der deutschen öffentlichen Entwicklungsgelder (Official Development Assistance/ODA) für Projekte gezielt zur Stärkung von Mädchen und Frauen ausgegeben, für die Förderung politischer Teilhabe von Mädchen und Frauen waren es 0,13 Prozent. Auch Jungen und Männern muss eine wesentliche Rolle zukommen, um die Gesundheit, Rechte und Autonomie von Mädchen und Frauen zu verwirklichen und ihre sexuellen und reproduktiven Rechte in vollem Umfang zu ermöglichen.

Mit dem gemeinsamen Antrag fordern die Regierungsfraktionen die Bundesregierung nun auf, im Rahmen der bestehenden Haushaltsansätze

  • sexuelle und reproduktive Gesundheit und reproduktive Rechte zu einem Schwerpunkt ihres entwicklungspolitischen Handelns zu machen und als eigenständigen Schwerpunkt der bi- und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit zu setzen und in einschlägigen Strategien und Konzepten zu verankern;
  • die Ministeriumsinitiative „Selbstbestimmte Familienplanung und Müttergesundheit“ als ein zentrales Instrument langfristig fortzusetzen und dabei Kinder und Jugendliche ab einem Alter von zehn Jahren stärker in den Fokus zu nehmen als bisher;
  • einen besonderen Fokus auf kinder- und jugendfreundliche SRGR-Leistungen zu richten. Insbesondere der Zugang für Mädchen, junge Frauen und Mütter zu umfassender Sexualaufklärung und modernen Verhütungsmitteln soll gewährleistet werden. Hierbei gilt es, die Altersgruppe der Zehn- bis 14-jährigen Mädchen und Jungen und auch andere, oft marginalisierte Gruppen zu beachten;
  • den Einsatz für umfassende Sexualerziehung (Comprehensive Sexuality Education/CSE) fortzuführen und auszubauen;
  • sich verstärkt für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung aller Frauen und Mädchen einzusetzen und grundsätzlich bei allen Programmen, Initiativen und Strategien die besonderen Bedürfnisse von Mädchen und Frauen im Sinne aller VN-Ziele für nachhaltige Entwicklung – insbesondere des Ziels 5 „Geschlechtergerechtigkeit“ – zu berücksichtigen;
  • auch die Rolle von Jungen und Männern einzubeziehen und sie bei der Verwirklichung einer gleichberechtigten Entwicklung zu unterstützen;
  • engagierte lokale Frauen- und Jugendorganisationen gezielt zu fördern;
  • eine systematische Aufschlüsselung von Daten nach Geschlecht und Alter für möglichst alle Projekte zu fordern, die Gleichberechtigung zum Ziel haben, um zu ermitteln, welche Förderungen Mädchen und Frauen insbesondere zugutekommen.

Das wichtigste zusammengefasst:

Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte umfassen unter anderem die freie Entscheidungsmöglichkeit über die eigene Sexualität und Familienplanung sowie den Zugang zu Dienstleistungen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Wenn Mädchen und Frauen in Ländern mit hohen Geburtenraten selbstbestimmt leben können und die Mittel haben, über Familienplanung zu entscheiden, entscheiden sie sich meist für weniger Kinder. Gleichberechtigung ist ebenso wie Bildung wesentlich dafür, dass Mädchen und Frauen autonom und selbstbestimmt über die Frage entscheiden können, mit wem, wann und wie viele Kinder sie bekommen. Ein Antrag der Koalitionsfraktionen fordert die Bundesregierung auf, diese Rechte der Mädchen und Frauen stärker zu unterstützen.