Bereits der zweite Bildungs- und Forschungsetat dieser Bundesregierung gleicht einem Offenbarungseid. Entweder sind Prestigeprojekte bereits aufgegeben oder stecken fest und müssen teuer nachgebessert werden. Oder ihre Projekte sind an der Nachfrage vorbei gestrickt und führen ins Leere. Diese Einsicht ist für die bürgerliche Koalition sicher schmerzlich, aber unumgehbar. Selbst die Ministerin hat noch vor der Einbringung bereits Änderungen am Haushalt angekündigt. Auch zeigt sich die bekannte kurze Halbwertszeit von Schavans Ankündigungen. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dafür sorgen, dass die Koalition in den Haushaltsberatungen die Realität nicht länger verschleiern kann und eine ehrliche Bestandsaufnahme zieht.

 

  1. Der von der Bundesregierung vorgeschlagene Aufwuchs für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ist selbstverständlich positiv und findet unsere Unterstützung. Auch hier konnte aber die Ministerin ihr Versprechen, die 12 Milliarden zusätzlicher Mittel größtenteils im BMBF zu verausgaben, nicht umsetzen. Nicht einmal 58 Prozent der Mehrmittel für Bildung und Forschung werden tatsächlich in das zuständige Fachressort fließen. Ein großer Anteil geht etwa auch in das Arbeitsressort für die Umsetzung des Hartz-IV-Urteils aus Karlsruhe. Damit ist auch die großspurige Ankündigung der Koalition, bis 2013 den Etat des BMBF im Vergleich zu 2005 verdoppeln zu wollen, bereits jetzt Makulatur.
     
  2. Schwerer als diese haushaltsbezogene Selbstüberschätzung des Ressorts wiegt die Tatsache, dass zentrale bildungs- und forschungspolitische Vorhaben weiterhin auf sich warten lassen oder bereits abgeblasen wurden:

    - die lokalen Bildungsbündnisse sind nur noch eine Fußnote im Konzept von Miniserin von der Leyen;
    - das Stipendienprogramm ist in sich zusammengefallen und wird nur mit einer Finanzspritze des Bundes gerettet;
    - das Bildungssparen ist abgesagt;
    - das Technikum ist ein Flop und wird offenbar eingestellt;
    - das moderne Hochschulzulassungsverfahren verspätet sich erneut;
    - das Anerkennungsgesetz für ausländische Qualifizierte lässt auf sich warten;
    - die Ausbildungsbausteine sind eine teure "Ausbildung de luxe" für Wenige;
    - die Bildungsprämie fließt nicht ab;
    - und schließlich ist die wichtige BAföG-Novelle zwischen Bund und Ländern auf der Kippe.

    Schavan scheut weiterhin eine kritische Revision, denn diese würde im Vergleich von Haushaltsansatz und -wirklichkeit zahlreiche Projektleichen und noch mehr Luftschlösser zu Tage fördern.
     

  3. In der Forschung ist für die Projektförderung bei Schavan kein zusätzliches Geld für 2011 vorgesehen. Sie vernachlässigt weiterhin die Umwelt- und nachhaltige Energietechnologie. Die Elektromobilität kommt nicht vom Fleck und vor allem fällt die im Wahlkampf und im Koalitionsvertrag breits angekündigte steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung ersatzlos aus. Besonders schmerzlich bleibt auch hier die eklatante Kostensteigerung bei dem Rückbau kerntechnischer Versuchsanlagen, die sich auf nun fast 11 Milliarden Euro bis 2035 verdoppelt haben. Diese Kosten für den Steuerzahler gehen natürlich in Keiner der auf Hochglanz gedruckten Kostenkalkulationen für die Kernenergie oder die Endlagerung ein.
     
  4. Besonders bitter ist, dass Ministerin Schavan sogar das Kunststück fertig bringt, trotz eines kräftigen Aufwuchses für das BMBF in zahlreichen Schlüsselbereichen der Bildung Kürzungen vornehmen zu müssen. Das trifft vor allem:

    - die Begabtenförderung der Förderwerke;
    - den Übergang von der Schule zur Berufsbildung;
    - die aktive Ausbildungsförderung;
    - die Verbesserung der Anerkennung ausländischer Abschlüsse
    - und die Weiterbildung.

    Wenn etwas rund läuft in diesem Haushalt, dann sind es die bereits von Rot-Grün oder der Großen Koalition gestarteten Maßnahmen wie die Exzellenzinitiative, der Pakt für Forschung und Innovation und der von der SPD durchgesetzte Hochschulpakt, die alle Ansatzsteigerungen aufweisen.
     

  5. Leider muss vor allem ein weiteres großes Versprechen der Ministerin heute bereits als gebrochen bewertet werden: im bewussten Bruch zum "Konfliktstil" ihrer Vorgängerin Edelgard Bulmahn wollte Annette Schavan eine neue Kooperationskultur mit den Ländern, eine "Bildungspartnerschaft" aufbauen. Das Ergebnis nach nur einem Jahr: das Bund-Länder-Verhältnis in der Bildungspolitik ist so schlecht wie noch nie. Mit immer neuen Vorschlägen und Belehrungen hat sie die Länder immer mehr gegen sich aufgebracht, Schäuble den Ländern mit der Steuersenkungspolitik zudem auch bildungspolitisch die Luft abgeschnürt. Seit dem deshalb der Bildungsgipfel geplatzt ist, hat die "Bildungsrepublik" Schlagseite und blockieren die Länder jede gemeinsame Maßnahme.
     
  6. Diese gegenseitige Blockade mit den Ländern kann sich Deutschland nicht leisten. Die kommenden Herausforderungen gerade im Bildungsbereich brauchen ein kooperatives Zusammenwirken von Bund und Ländern und klare Finanzierungsgrundlagen. Die Bund-Länder-Blockade muss überwunden werden, wenn wir die Sicherung der Bildungsteilhabe, wie vom Verfassungsgericht verlangt, bis zum 1. Januar 2011 sichern wollen. Nicht weniger wichtig für die künftige Entwicklung ist die aktuell intensiv diskutierte integrationspolitische Aufgabe, mit, in und über Bildung erfolgreiche gesellschaftliche Einbindung und Teilhabe zu fördern.