Frage: Die K-Frage wurde auf Ihr Drängen schneller als gedacht entschieden – sind Sie froh, dass Sie den Job nicht noch einmal machen müssen?

Antwort: Für mich kam die Entscheidung nicht ganz so überraschend wie für die Öffentlichkeit. Wir drei hatten uns verabredet, dass jeder für sich über den Sommer entscheidet, ob er für eine Kandidatur zur Verfügung steht. Das habe ich mir nicht leicht gemacht. Denn für jeden, der nicht ohne politischen Ehrgeiz ist, ist das eine Herausforderung besonderer Art. Aus ganz persönlichen Gründen habe ich mich dennoch dagegen entschieden und das dem Parteivorsitzenden mitgeteilt.

Frage: Wie sieht Ihre Rolle im nächsten Jahr im Wahlkampf aus?

Antwort: Meine Rolle als Fraktionsvorsitzender bleibt. Und wenn Sie auf diese Chaostruppe in der Bundesregierung schauen, dann wird viel und kräftige Opposition nötig sein. Darüber hinaus werde ich im Wahlkampf sein – in einer anderen Rolle als 2009, aber sehr präsent. Ich werde kräftig mithelfen, damit die SPD gewinnt und Peer Steinbrück Kanzler wird.

Frage: Peer Steinbrück geriet direkt in Turbulenzen, weil er neben dem Abgeordnetenmandat hohe Nebeneinkünfte als Redner und Buchautor hatte.

Antwort: Die Pfeile auf Peer Steinbrück waren doch eher Ausdruck der Nervosität der anderen Seite. Inzwischen würde manch einer von denen diese Pfeile gerne wieder in den Köcher zurückholen. Denn der Spitzenkandidat und die SPD haben nichts zu verbergen, viele in CDU/CSU und FDP schon! Und inzwischen wissen die meisten, dass die SPD seit Jahren für mehr Transparenz bei Nebeneinkünften eingetreten ist, während Union und FDP mit beiden Füßen auf der Bremse standen! Das werden wir nicht durchgehen lassen. Entweder sorgen sie jetzt gemeinsam mit uns für Transparenz bei den Nebeneinkünften oder sie werden als Maulhelden in der Ecke stehen.

Frage: Sie wollen die exakte Offenlegung der Nebeneinkünfte auf Euro und Cent?

Antwort: Was jetzt auf dem Tisch liegt ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber das 10-Stufen-Modell genügt nicht. Ich kann nicht erkennen, warum man bei 250.000 Euro die letzte Stufe einziehen sollte. Das legt eher die Vermutung nahe, dass viele – gerade bei den Regierungsparteien – darüber liegen.

Frage: Zum Thema Griechenland. Das höchst verschuldete Land soll offenbar zwei Jahre mehr Zeit zur Erfüllung der Sparauflagen bekommen. Wird da die nächste rote Linie der Koalition überschritten?

Antwort: Frau Merkel treibt das bekannte Spiel weiter: Vernebeln, solange es geht; dementieren, was die Spatzen schon von den Dächern pfeifen. Und am Ende kommt es dann doch. Die Regierung wird uns in Kürze vorschlagen, die Rückzahlungsfristen für Griechenland zu verlängern. Als Brüderle, Rösler und Schäuble noch Stein und Bein geschworen haben, dass es zu keiner Änderung der Vereinbarungen mit Griechenland kommt, habe ich gesagt: Das glaube ich denen nicht – im Übrigen wäre solch eine Vorfestlegung auch nicht besonders schlau. Denn jeder gute Kaufmann würde sich zunächst mal fragen, ob durch Verlängerung der Fristen die Rückzahlung der bereits gewährten Kredite wahrscheinlicher wird, bevor er seine Forderung in den Wind schreibt.

Frage: Die SPD würde eine Verlängerung und ein mögliches drittes Griechenlandpaket – die Rede ist von 20 Milliarden Euro – mittragen?

Antwort: Wir jedenfalls sind mit der Öffentlichkeit ehrlich umgegangen. Steinbrück und ich haben eine Verlängerung der Rückzahlungsfristen für Griechenland nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Aber wir sind jetzt gar nicht dran! Die Regierung wirft eine Nebelkerze nach der anderen, dementiert Festlegungen und Verabredungen. So geht das nicht! Wer so agiert, begreift nicht, dass er auf die Opposition angewiesen sein wird. Und wer uns braucht, von dem verlangen wir Klarheit und Offenheit in der Sache. Da herrscht Fehlanzeige, nicht mal der Versuch wird gemacht, die Oppositionsparteien in Informationsfluss zu halten. Das ist miserabler Stil.

Frage: Schwarz-Gelb schickt sich an, die Bürger an mehreren Stellen zu entlasten: Beim Rentenbeitrag, durch Steuersenkung und womöglich Abschaffung der Praxisgebühr. Was kritisiert die SPD daran?

Antwort: Die Bundesregierung verteilt durchsichtige Wahlgeschenke. Allein die fast zwei Milliarden Euro für das Betreuungsgeld stehen in keinem Haushalt und müssen über neue Schulden finanziert werden. Bei der Rente tut die Regierung so als hätten wir kein demografisches Problem. Statt einen Demografiefonds zu schaffen, spart sie mit der kurzfristigen Absenkung der Beiträge im Wahljahr Bundeszuschüsse zur Rente in Milliardenhöhe. Das sind durchsichtige Manöver, aber keine seriöse Haushaltspolitik. Es ist ein Skandal, dass eine Bundesregierung nach zwei aufeinander folgenden Jahren mit Rekordsteuereinnahmen nicht in der Lage ist, in der laufenden Legislaturperiode einen ausgeglichenen Haushalt zu schaffen.

Frage: Kann die SPD eine Blockade von Steuersenkungen durchhalten?

Antwort: Die Länder sehen, dass wir vor einer größeren Aufgabe stehen: Gerade mit der Erfahrung der jüngsten Krise müssen wir alles daran setzen, von zu hoher Verschuldung herunterzukommen. Ausgeglichene Haushalte müssen das Ziel sein. Wahlversprechen oder unfinanzierte Steuersenkungen würden die Einhaltung der Schuldenbremse, die wir gerade erst ins Grundgesetz gebracht haben, gefährden. Wir werden einsparen müssen, aber gleichzeitig mehr Geld in Bildung und Schule investieren. Das ist die große Herausforderung, die wir mit Blick auf die Zukunft zu bewältigen haben – nicht Wahlversprechen der FDP.

Frage: Die Sozialdemokraten hatten stets argumentiert, dass Beitragssenkungen geboten seien, weil davon vor allem auch Geringverdiener profitieren. Warum sind Sie nun gegen die Absenkung des Rentenbeitrags?

Antwort: Als die SPD 1998 die Regierung übernahm, bewegte sich der prognostizierte Rentenbeitragssatz Richtung 26 Prozent. Es ist der SPD und Walter Riester zu danken, dass wir heute noch unter 20 Prozent liegen. In der selben Zeit haben wir die Krankenversicherung stabilisiert und die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung halbiert. Das ist nicht Selbstzweck, sondern war erforderlich, um uns vom Höchststand der Arbeitslosigkeit bei knapp fünf Millionen wieder zu entfernen. Heute scheitern neue Jobs ganz sicher nicht an zu hohen Lohnnebenkosten. Dafür drücken uns die Lasten des demographischen Wandels. Dafür müssen wir Vorsorge treffen.

Frage: Die SPD muss ihre Position zur Zukunft der Rente noch finden. Muss das Rentenniveau von 50 Prozent gehalten werden?

Antwort: Unser Versprechen muss lauten: Die SPD wird in Regierungsverantwortung alles dafür tun, dass sich Beschäftigungsquote und Lohnniveau so gut entwickeln, dass die arbeitende Generation ein hohes Rentenniveau bezahlen kann. Vom Rumschrauben an den Berechnungsformeln und der Nachhaltigkeitsklausel rate ich ab.

Frage: Thema Asylbewerber. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich will für Asylbewerber aus sicheren Staaten – Sinti und Roma aus Rumänien oder Bulgarien – geringere Geldleistungen. Wäre diese Abschreckungspolitik mit der Verfassung vereinbar?

Antwort: Man darf soziale Probleme, die durch den Zuzug von Flüchtlingen und Asylbewerbern entstehen nicht kleinreden. Manche Kommunen sind dadurch in der Tat belastet. Aber es wäre die Aufgabe von Friedrich die Diskussion zu versachlichen und Problemlösungen anzubieten. Stattdessen macht er Vorschläge, von denen er weiß, dass sie vor dem Hintergrund des jüngsten Bundesverfassungsgerichtsurteils zweifelhaft sind. Da liegt der Verdacht nahe, dass er weniger an der Problemlösung, als an Stimmungsmache interessiert ist. Das wäre unverantwortlich.